Eine berührende Erzählung aus der Feder der Muslime, die an den Verheißenen MessiasAS glauben. Mit der Vision des Friedens beginnt diese Reise auch in Deutschland, getragen von einer aufrichtigen Hingabe für ihre Mitmenschen. Eine Botschaft, die lautet: „Liebe für alle, Hass für keinen”.
Diese Worte sind für die Ahmadi-Muslime ein Quell der Inspiration und sie setzen sie in die Tat um, indem sie sich bedingungslos für ihre Mitmenschen einsetzen. Diese Geschichte erzählt von den letzten 100 Jahren der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Deutschland, einem Kapitel voller Hoffnung und Engagement.
In den Zwanzigern sprach man in Deutschland voller Euphorie von einer Ära des Aufbruchs. Inmitten dieser Zeit des Wandels begab sich ein Mann namens Maulawi Mubarak Ali auf die Reise nach Berlin. Als Imam und Missionar trug er eine kostbare Botschaft in seinem Herzen und in seinem Gepäck: Ideen, die uns alle zutiefst berühren sollten. Wie können wir inneren Frieden finden? Und wie können wir einen harmonischen Frieden in unserer Gesellschaft schaffen?
Der Imam war Teil der Ahmadiyya Muslim Jamaat, einer jungen Gemeinschaft im Islam, die in Indien von Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS gegründet wurde. Dieser außergewöhnliche Mann erhob den Anspruch, der ersehnte Messias zu sein, auf den verschiedene Religionen gewartet hatten. Seine Lehren und Visionen inspirierten nicht nur die Gläubigen, sondern weckten auch das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit.
Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS sagte:
Gott hat mich gesandt, damit ich mit Frieden und Güte die Welt zum wahren Gott führe und den Islam die hohen moralischen Tugenden wieder etabliere [1]
[Kitab-ul-Bariyya]
Maulawi Mubarak Ali markierte mit seiner Ankunft im Jahr 1922 den Beginn einer neuen Ära für die Ahmadiyya Muslim Jamaat in Deutschland. Von diesem Zeitpunkt an würde die Gemeinschaft ihr Vermächtnis des Friedens und der Liebe auf deutschem Boden weitertragen und einen bedeutenden Beitrag zur interreligiösen Verständigung und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten.
Mit dem Eintreffen des ersten Imams entstand allmählich eine kleine Gemeinde, die ihre Wurzeln im deutschen Boden verankerte. Die Vision einer eigenen Moschee begann ebenfalls Form anzunehmen. Ein geeigneter Ort für dieses Vorhaben wurde im Westen Berlins auserkoren. Doch wer würde die finanzielle Grundlage dafür schaffen? Es waren die muslimischen Frauen aus Indien, die mit großzügigen Spenden ihre neuen Glaubensbrüder unterstützten.
Maulawi Mubarak Ali widmete sich engagiert der Suche nach einem geeigneten Grundstück für die Moschee. Schließlich wurde ein passender Ort in Charlottenburg gefunden, an der Ecke Riehl- und Dresselstraße, unweit des Bahnhofs Witzleben. Hier, inmitten der pulsierenden Stadt, sollte der Grundstein für einen Ort des Gebets und der Gemeinschaft gelegt werden. Es war damals als „Ackerland“ ausgewiesen.[2] Er erwarb dieses 3421 m2 großes Stück Land[3] am 16. Februar 1923 für etwa 200 Pfund.[4] Die Pläne für die Moschee wurden von dem Berliner Architekten A. K. Hermann in relativ kurzer Zeit angefertigt.[5] Nachdem die Genehmigungen eingeholt waren, begannen am 27. Juli, einem Freitag, die ersten Arbeiten auf der Baustelle.
Jedoch nahm die Geschichte eine unvorhergesehene Wendung. Die Spendengelder verloren rapide an Wert, da eine Hyperinflation das Land heimsuchte. Die Auswirkungen waren weitaus schlimmer als die heutige Vorstellung davon. Unter diesen Umständen musste der Bau der Moschee vorerst gestoppt werden, und die Pläne ruhten.
Doch es sollte nicht nur die wirtschaftliche Krise sein, die auf die Gemeinde einwirkte. Eine düstere Zeit brach an, als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen. Selbst das einst so weltoffene Berlin wurde für Muslime unwillkommen. Für beinahe 15 Jahre musste sich die Ahmadiyya Muslim Jamaat zurückziehen und ihre Aktivitäten einstellen.
Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 konnte die Ahmadiyya Muslim Jamaat ihren Weg fortsetzen und ein neues Kapitel beginnen.
Mit dem Neuanfang nach 1945 brach eine Zeit an, in der Muslime wieder offen ihren Glauben bekennen konnten. Es lag ein besonderer Zauber in der Luft, als die Gemeinde an Dynamik gewann und sich entfaltete. Immer mehr Muslime fanden ihren Platz und auch ein Imam konnte wieder ins Land kommen. In Hamburg entstand die Fazle-Omar-Moschee und in Frankfurt die Nur-Moschee. Diese beiden Moscheen sind seit nunmehr 65 Jahren ein Symbol des Friedens und der Einheit.
Im Jahr 1954 wurde eine deutsche Übersetzung des Heiligen Qur’an veröffentlicht, die in Europa große Resonanz fand. Hier herrschte Religionsfreiheit, und die Botschaft des Islam fand offene Ohren und Herzen.
Jedoch sah sich die Ahmadiyya Muslim Jamaat in Pakistan, wo mittlerweile die meisten Ahmadi-Muslime leben, mit einer zunehmenden Bedrohung durch extremistische Kräfte konfrontiert. Die Botschaft des Friedens und der Einheit wurde von ihnen als Störfaktor angesehen. Es wurden Gesetze erlassen, die gezielt gegen die Ahmadi-Muslime gerichtet waren, wie beispielsweise die sogenannten Blasphemie-Gesetze.
„Ein Ahmadi, der sich Muslim nennt, oder predigt oder seinen Glauben verbreitet, oder die religiösen Gefühle eines Muslims herausfordert, oder sich als Muslim ausgibt, ist mit drei Jahre Haft und Geldbuße zu bestrafen.“[Section 298-C]
„Wer auch immer durch Wort, Schrift oder jeglicher sichtbaren Wiedergabe, oder irgendeiner Zurechnung, Anspielung, Andeutung, direkter oder indirekter Art, den heiligen Namen des Heiligen Propheten MuhammadSAW verschmäht, ist mit dem Tode zu bestrafen, oder mit lebenslangem Freiheitsentzug, und ist mit Geldbuße zu belegen.“[Section 295-C]
Dadurch wurde das Leben für Ahmadi-Muslime in Pakistan nahezu unmöglich gemacht. Tausende von ihnen waren plötzlich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Europa wurde für sie zur neuen Heimat, wo sie Schutz und Zuflucht fanden. Die Gemeinde wuchs rapide an, während sie sich weiterhin für Frieden, Liebe und Toleranz einsetzte.
In den 80er Jahren muss der damalige Vierte Kalif auch nach England emigrieren. Auch in dieser schwierigen Zeit bleibt die Botschaft gleich friedlich: „Liebe für alle Hass für keinen“.
Ein bahnbrechender Schritt für die Ahmadiyya Muslim Jamaat ereignete sich in den 1990er Jahren, als der erste muslimische Fernsehsender mit dem Namen „Muslim Television Ahmadiyya” (kurz: MTA) ins Leben gerufen wurde. Mit Kanal konnte die friedliche Botschaft des Islams nun über den Äther verbreitet werden.
MTA wurde als Plattform geschaffen, um die Lehren und Prinzipien des Islams, wie sie von der Ahmadiyya Muslim Jamaat gelehrt werden, einer breiten Zuschauerschaft weltweit zugänglich zu machen. Der Sender bot eine Vielzahl von Programmen an, darunter religiöse Reden, Diskussionsrunden, Dokumentationen, Bildungsprogramme und kulturelle Veranstaltungen.
Im Jahr 2012 markierte die Einweihung einer bedeutenden Bildungseinrichtung in Riedstadt-Goddelau, Hessen, einen bedeutsamen Schritt für die Ahmadiyya Muslim Jamaat in Deutschland. Das Institut für Islamische Theologie und Sprachen, bekannt als Jamia Ahmadiyya, wurde eröffnet und bot muslimischen Studierenden eine umfassende Ausbildung, um sich über einen Zeitraum von 14 Semestern zu Imamen und Theologen ausbilden zu lassen.[6]
Jamia Ahmadiyya ist das erste Institut seiner Art in Deutschland und wurde speziell gegründet, um muslimische Studenten in den Fachbereichen Islamische Theologie und Sprachen auszubilden. Der Lehrplan umfasste eine breite Palette von Themen, darunter der Qur’an, Hadithe (Überlieferungen des Propheten Muhammad), islamisches Recht, Geschichte des Islam, arabische Sprache und weitere relevante Fachgebiete.
Die AMJ ist in Deutschland mit ihren rund 55.000 Mitgliedern eine bedeutende Gemeinschaft innerhalb der organisierten Muslime. Mit mehr als 70 Moscheen, die mit Minaretten und Kuppeln geschmückt sind, sowie etwa 225 lokalen Gemeinden und einem Verlag ist sie breit aufgestellt.
Seit 2013 ist die AMJ als erste islamische Körperschaft des öffentlichen Rechts in Deutschland den großen Kirchen gleichgestellt. In Zusammenarbeit mit dem Land Hessen bietet sie seitdem bekenntnisorientierten Islamunterricht an Grundschulen an.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das 100-jährige Engagement der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland zeigt, dass diese 100 Jahre geprägt waren von 100 Jahre spirituelles, dynamisches und gemeinschaftliches religiöses Leben, 100 Jahre Wohlfahrt und Seelsorge, 100 Jahre Ehrenamt und Dienst an der Menschheit, 100 Jahre Liebe und Loyalität zu Deutschland und 100 Jahre Dialog und Kooperation.
Referenzen
[1] Kitab-ul-Barriyya
[2] Auskunft des Landgerichts III in Berlin vom 31.01.1927, 1. XV.15/A.1005.3.
[3] Deutsche Allgemeine Zeitung, 07.08.1923; vgl. Lageplan des Vermessungsbüros W. Ludewig, Juli 1923.
[4] Tagebuch Maulvi Mubarak Ali, 1923, S. 9; The Muslim Sunrise Vol. III, No. I – January 1924, S. 14.
[5] Vgl. Baupläne der Moschee.
[6] https://www.jamia.de/